Digitale Rechtsmobilisierung. Eine Provokation für die Sozialverwaltung? (LegalTech)
Projektträger: SOFI Göttingen (mit Weiterleitung an Ruhr-Universität Bochum)
Ansprechpartner: Prof. Dr. Berthold Vogel, Universität Göttingen (E-Mail schreiben)
Technologies und neue Möglichkeiten der digitalen Rechtsmobilisierung verändern das Sozialrecht. Markante Beispiele dieses Wandels finden sich in der Welt der Kanzleien, z.B. „Rightmart“, die sich selbst mit 20.000 Mandantinnen und Mandanten (https://rightmart.de/sozialrecht) zur größten sozialrechtlichen Anwaltskanzlei Deutschlands erklärt. Auch in anderen Sektoren des Sozialrechts entstehen neue digitale Angebote zur Rechtsberatung und -durchsetzung, z.B. im Gesundheitssektor und im Bereich der Altersversorgung. Bisher wissen wir wenig über die Marktstrategien, Interaktionsorientierungen und sozialpolitischen Leitbilder dieser neuen Akteure, die auf den ersten Blick vor allem daran interessiert zu sein scheinen, eine hohe Zahl an Widerspruchsverfahren und Klagen zu produzieren. Auch sind die Folgen der Legal Technologies für den Zugang zu sozialen Rechten ungewiss. Dieser wird maßgeblich durch Sozialverwaltung, Verbände, aber eben auch durch marktbasierte und zunehmend digitalisierte Angebote anwaltlicher Beratung und Interessenvertretung geprägt.
Vor diesem Hintergrund zielt das Vorhaben auf ein besseres Verständnis der Herausforderungen dieser veränderten Akteurs- und Interessenskonstellationen für sozialpolitisches und –rechtliches Handeln. Im Zentrum stehen dabei die Sozialverwaltung und ihre Interaktion mit den Legal-Tech-Rechtsdienstleistern, die ganz maßgeblich auf den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Rechts- und Sozialstaat Einfluss nimmt. Der Schwerpunkt des Projekts liegt - in Ergänzung zu der bereits existierenden Forschung zur Gerichtsbarkeit - auf vor- und außergerichtlichen Auseinandersetzungen. In welchem Maße provoziert Legal Tech die Sozialverwaltung – in produktiver, aber eben auch auf destruktive Weise?
Die Untersuchung wird mit einem quantitativ-qualitativen Methodenmix die Landschaft der „Legal-Tech-Kanzleien“ eruieren sowie deren sozialpolitische Leitbilder und Strategien gegenüber der Verwaltung untersuchen. Auf Grundlage qualitativer Forschungsmethoden werden zudem Auswirkungen auf organisationale und normative Rahmenbedingungen der Arbeit in der Sozialverwaltung, insbesondere im Bereich der Jobcenter und der Rentenversicherung, untersucht.
Die Ergebnisse des Vorhabens sind für die politikwissenschaftliche und die soziologische Forschung zu Sozialpolitik und Recht relevant, aber auch für die empirisch interessierte Rechtswissenschaft sowie in besonderer Weise für die sozial- und rechtspolitischen Akteure von Interesse.